Interview mit den Antikdoggenfreunden
28.03. 2012
mit Mirjam Aulbach und Esther Follmann
Für die Antikdoggenfreunde haben Mirjam Aulbach & ich ein Interview gegeben.
Liebe Hundefreunde,
von Zeit zu Zeit findet Ihr in diesem Newsletter immer mal wieder Interviews mit wirklich guten Hundetrainern. In der Vergangenheit hatten wir hier Thomas Riepe, Gerd Schreiber, Diana Drewes, Christine Schmidt und einige mehr… Heute habe ich ein Interview mit mit Mirjam Aulbach und Esther Follmann für Euch… hundetrainingteamarbeit.de
Frage 1: Wenn Dich ein Ersthundehalter (Antikdogge) fragt, welche Hundeschulkurse Du als empfehlenswert für eine Antikdogge (bzw. generell für Molosser) als empfehlenswert hältst, was wäre dann Eure Antwort.
Wir können und möchten keine Empfehlungen für konkrete Kurse oder Inhalte abgeben, da die Qualität der Trainingsangebote enorm unterschiedlich ist. Unsere Empfehlung ist, wie immer, sehr individuell zu entscheiden, welche Bedürfnisse Hund und Mensch haben und in welchen Bereichen Unterstützung oder Förderung gewünscht wird. Ein empfehlenswerter Trainer wird einen Trainingsvorschlag auf eben diese Ansprüche abstimmen.
Frage 2: Nehmen wir an Ihr solltet 3 Seminare empfehlen, die jeder Ersthundehalter (immer bezogen auf Antikdoggen) unbedingt besuchen sollte, welche wären das dann? (Gern mit Termin und Link; ggf. auch andere Referenten…)
Nummer 1
Definitiv Körpersprache! Dieses Thema ist einfach für jeden Hundehalter relevant. Gutes Beobachten und möglichst genaues, unvoreingenommenes Interpretieren der hundlichen Körpersprache verrät uns jede Menge darüber, wie es unserem Hund in bestimmten Situationen geht und aus welchem Grund er bestimmte Verhaltensweisen zeigt. Gutes Beobachten und Erkennen hilft uns, ganz früh zu erkennen, was in kritischen Situationen als nächstes passieren wird. Oft kann man Hunden lange, bevor eine Situation wirklich „problematisch“ wird, ansehen, wo sie Schwierigkeiten haben und lernen, sie entsprechend frühzeitig zu unterstützen. Ganz wichtig auch: Mit einem guten Wissen über Körpersprache des Hundes vermeiden wir viele „Fehler“ (eher: Kommunikationsschwierigkeiten), die sich durch menschliche Körpersprache entwickeln. Beobachten und richtiges Übersetzen der Körpersprache ist eine absolute Grundlage für Erziehung und Beziehung zu unserem Hund!
Empfehlenswerte Referenten zum Thema – und wir empfehle nur Referenten, die wir selbst kennen:
- Ute Blaschke-Berthold – Seminarkalender
- Wir natürlich 😉
Seminar Theorie und Praxis in Babenhausen im Oktober 2012
Theorie Tagesworkshop in Neustadt/Weinstrasse im November 2012:
Nummer 2
Bei einer Hunderasse, die in der Rassebeschreibung als guter Wachhund beschrieben wird, würden wir durchaus gerne ein Seminar zum Thema Angst- und Angstverhalten empfehlen. Natürlich, die Antikdogge soll laut Rassenbeschreibung auch „gesundes Selbstbewusstsein und gute Selbstsicherheit“ vorweisen, aber Standards sind Idealvorstellungen. Lebenwesen sind immer individuell. Ein Hund, der lautstark jegliche Änderung in der Umwelt, Geräusche u.ä. kommentiert – wie es ein guter Wachhund tun soll – tut das nicht selten aus einer Angst heraus. Ein Vierbeiner, der sich in seiner Umgebung rund um sicher fühlt, hat einfach recht wenig Veranlassung Dinge zu verbellen und melden.
Wer sich frühzeitig mit dem Thema Angst beim Hund befasst, kann schlicht früh erkennen, in welchen Situationen der eigene Hund vielleicht Unterstützung braucht. Bei einem großen Teil der in der Verhaltenstherapie vorgestellten Hunde mit Aggressionsverhalten können wir als Trainer in der Verhaltensanamnese und Beschreibung feststellen, dass wir es mit Hunden zu tun haben, die in der anfänglichen Entwicklung in problematischen Situationen mit Angstverhalten reagiert haben. Ist Flüchten oder Meiden nicht erfolgreich, wird der Hund eine andere Strategie anwenden. Das ist häufig Drohverhalten und in der weiteren Stufe Aggressionsverhalten. Natürlich: nicht jeder Hund, der in jungen Jahren Angstverhalten zeigt, zeigt später Aggressionsverhalten. Trotzdem ist es in meinen Augen absolut sinnvoll, präventiv an so etwa zu arbeiten. Nicht zuletzt deshalb, weil Angst für den Hund einen großen Leidensdruck bedeutet. Für die Besitzer ist es häufig so, dass erst bei Aggressionsverhalten der eigene Leidensdruck steigt und sie beginnen, etwas zu ändern. Für den Hund ist das Leben mit der Angst aber deutlich belastender als das mit Aggression!
- Seminartipps zu Angst- und Angstverhalten wiederum – Ute Blaschke-Berthold, CumCane (Seminarkalender).
Nummer 3
Im Bereich „Hund“ gibt es viele interessante Themen, so dass wir jedem „Neu-Hundehalter“ ans Herz legen würde, ein wenig abzuwarten und seinen Hund zu betrachten. Vielleicht ergeben sich kleine Baustellen, an denen man arbeiten möchte und dazu gibt es ein passendes Seminar. Oder der Hundehalter findet großen Spaß daran, mit seinem Hund eine bestimmte Art der Beschäftigung zu praktizieren und möchte sich hierfür weiterbilden. Für uns ist Seminartipp Nummer 3 wie Hundetraining: Individuell auf Hund und Mensch und ihre Bedürfnisse zugeschnitten!
All unsere gemeinsamen Termine findet man übrigens auf der Teamarbeit Webseite.
Frage 3: Nehmen wir an, Du solltest einem Ersthundehalter (Antikdogge) 3 Bücher empfehlen, welche wären das dann? Und warum sollte man die (unbedingt) gelesen haben?
Eins möchten wir gleich vorweg schieben: Was es an Hundeliteratur (vor allem im deutschsprachigen Raum) zu kaufen gibt, das sind keine Fachbücher. Es sind Ratgeber. Wie ein Ratgeber zur besten Bepflanzung von Balkonkästen. Nur weil etwas in einem Buch steht, ist es nicht richtig. Leider ist es so, dass es im englischsprachigen Raum deutlich mehr empfehlenswerte Bücher gibt, als im deutschen. Wer gut in Englisch ist und / oder sehr motiviert, sollte sich eher ein wenig in diesem Bereich informieren.
Nummer 1
Empfehlen können wir auf jeden Fall:
- “Canine Body Language: A Photographic Guide: Interpreting the Native Language of the Domestic Dog“ von Brenda Aloff
- Alternativ, wer lieber in deutsch lesen mag: „Hundeverhalten: Mimik, Körpersprache und Verständigung“ von Barbara Handelman.
Beides sind Bücher, die sich sinnvoll und lehrreich mit dem Thema Körpersprache beschäftigen. Die Gründe, warum wir sie empfehle, sind die gleichen wie beim Seminartipp zu eben diesem Thema.
Nummer 2
Ein weiteres, tolles Buch ist „Der hyperaktive Hund” von Maria Hense. Dieses Buch ist auf keinen Fall nur für Halter von hyperaktiven Hunden geeignet! Ganz viele grundlegende Arbeitswerkzeuge werden erklärt und wir finden, es ist ein sehr gutes und hilfreiches Buch.
Nummer 3
„Wer denken will, muss fühlen“ von Elisabeth Beck ist einfach ein tolles, warmherziges Buch! Besonders gefällt uns, dass wissenschaftliche Erkenntnisse auch zu Intelligenz und Emotion von Tieren, Trainingsmethodik und die Emotionen des Menschen beleuchtet werden. Empfehlenswert für alle Menschen, die ihr Tier mit Verstand und Wissen durch die gemeinsame Zeit führen möchten, ohne dabei ihr Herz und ihr Gefühl außen vor zu lassen.
Frage 4: Wenn Welpenkäufer sich eine Antikdogge kaufen möchten, jedoch keinerlei Ahnung davon haben wie sie Züchter und Zuchtstätten beurteilen sollen, was wären Deine 5 wichtigsten Punkte. Worauf sollten sie Deiner Meinung nach achten?
1. Beide Elterntiere müssen in erster Linie ein geliebtes Familienmitglied sein! Alle Hunde des Züchters, ob aktiv in der Zucht oder nicht, müssen harmonisch gemeinsam in der Familie leben können. Niemals darf die Zucht über das Wohlergehen jedes einzelnen Hundes gestellt werden.
2. Hündin wie auch Rüde sollten bei den Züchtern in einem Umfeld leben, das dem zukünftigen Umfeld des Welpeninteressenten ähnelt. Es ist z.B. keine gute Idee, einen Welpen als Familienhund in eine städtische Umgebung aufzunehmen, dessen direkte Vorfahren als Wachhunde in ländlicher Umgebung gehalten werden. Ein guter Züchter informiert seine Welpeninteressenten genau darüber.
3. Die Elterntiere sollten beide körperlich und geistig ausgereift sein. Nur so ist eine Beurteilung von körperlichen Merkmalen und Verhaltensweisen, die u.U. vererbt werden können, annähernd möglich. Ein empfehlenswerter Züchter gibt Welpeninteressenten immer die Möglichkeit, die Elterntiere in gewohnter und ungewohnter Umgebung kennen zu lernen und zu erleben.
4. Ein verantwortungsvoller Züchter informiert Welpeninteressenten eingehend über Wesen und Gesundheit seiner Rasse. Bei aller Begeisterung für seine geliebte Rasse vergisst er niemals, auch über „Risiken und Nebenwirkungen“ aufzuklären (bspw. Größenverhältnis, Gewicht).
5. Der Züchter fühlt sich ein Leben lang für all seine Nachzuchten verantwortlich. Bei Problemen vermittelt der Züchter kompetente Hilfe. Verliert ein Hund sein Zuhause, engagiert sich der Züchter mindestens so sehr wie bei der Welpenvermittlung für den Hund. Ein ganz genereller Hinweis – quasi Punkt 0: Ein Züchter muss in all seinem Tun seine Grenzen wahrnehmen und entsprechend handeln.
Frage 5: Ein Grund eine Hundeschule / einen Hundeverein sofort zu verlassen, wäre nach Deiner Meinung…
Mirjam… Einer unter 10000: Ein Hund versteckt sich vor Artgenossen hinter seinem Halter und dieser bekommt gesagt, er soll ihn ignorieren und weggehen. Passiert leider immer noch oft, vor allem in Welpengruppen. Das zeigt mir, dass keine Rücksicht auf das Wohlbefinden des Hundes und das Vertrauensverhältnis zwischen Mensch und Hund genommen wird und ist ein absolutes NoGo.
Esther… Ganz generell: Physische und psychische Gewalt. Mein Ziel ist, Sozialpartner so zu behandeln, wie auch ich als Sozialpartner behandelt werden möchte.
Frage 6: Dann noch eine Frage zum IBH, wo Du, Mirjam, ja als Pressesprecherin im Vorstand aktiv bist: Wie stellt der IBH sicher, dass seine Mitglieder (Hundetrainer) einem bestimmten Qualitätsanspruch im Hinblick auf Kompetenz und Gewaltfreiheit gerecht werden?
Als Pressesprecherin zähle ich nicht zum Vorstand, das nur am Rande 😉 Der IBH e.V. liegt Esther und mir sehr am Herzen. Ich hoffe übrigens sehr, dass Esther bald selbst wieder aktiv mitmacht, sie war bereits im Ausbildungsrat tätig. Qualitätsansprüche zu erfüllen und zu überprüfen ist tatsächlich einer der wichtigsten Punkte in so einem Berufsverband. Um eine Mitgliedschaft beim IBH e.V. zu beantragen, benötigt der Hundetrainer als erstes einen Nachweis, dass er als Hundetrainer arbeitet. Er muss mindestens 5 Bildungsmaßnahmen beim IBH e.V. oder bei von IBH anerkannten Institutionen nachweisen. Bei den „anerkannten Institutionen“ sind wir als IBH e.V. nicht auf eine bestimmte Auswahl festgelegt. Es ist nicht so, dass nur Trainer von wenigen, „namenhaften“ Ausbildern aufgenommen werden. Jeder Nachweis wird einzeln geprüft.
Welcher Referent wurde besucht, was weiß man über den Referent und seine Arbeit, welche Art Hundetraining vermittelt er. Natürlich kennen wir mittlerweile viele Referenten und ihre Arbeit bzw. haben einfach auch ein gutes Netzwerk, in dem solche Dinge erfragt werden können. Gleichzeitig wird die Person, die den Mitgliedsanstrag stellt, ein wenig „unter die Lupe“ genommen. Gibt es eine Webpräsenz, wenn ja, was steht da und welche Bilder kann man sehen?
Manchmal bekommen wir Anträge, die man einfach so „abnicken“ kann. Nachweise von tollen Referenten, deren Arbeit wir schätzen und vielleicht kennt ein anderes Mitglied den Antragssteller und kann seine Arbeit gut beurteilen. Immer, wenn bei einem Antrag Unklarheiten entstehen – der Prüfer sich nicht wirklich sicher ist, die Bildungsnachweise nicht bekannt sind oder ähnliches – wird der Antrag im kompletten Vorstandschaft besprochen und abgestimmt.
Das ist die erste Maßnahme, um unsere Ansprüche zu sichern. Und ja, es sind durchaus schon Mitgliedsanträge abgelehnt worden.
Weiter ist der IBH e.V. mittlerweile TÜV zertifiziert. Mit dieser TÜV Zertifizierung geht ein Qualitätsmanagement einher, das u.a. Verwaltung und Überwachung der Qualitätskriterien der angeschlossenen Hundeschulen umfasst. Diese Qualitätskriterien werden jedes Jahr an einem bestimmten Prozentsatz unserer Mitglieder überprüft mit einem externen Auditoren (bspw. TÜV Prüfer) und einem fachlich Qualifizierten, der die „hundetraining-spezifischen“ Punkte bewertet.
Natürlich ist auch Information von Dritten etwas für uns wichtiges. Jeder hat die Möglichkeit, beim IBH e.V. Beschwerde einzulegen, wenn er findet, dass ein Trainer nicht nach IBH e.V. Richtlinien arbeitet. Diese Beschwerden werden immer ernst genommen – müssen sie auch. Der betroffenen Trainer wird zu einer Stellungnahme aufgefordert und überprüft. Das würde auch dann gelten, wenn Beschwerden über jemand aus dem Vorstand eingereicht werden!
Zu guter Letzt bemüht sich der IBH e.V. verstärkt, seinen Mitgliedern sinnvolle Fortbildungsmaßnahmen zur Verfügung zu stellen. So haben wir im Anschluss an die Jahreshauptversammlung dieses Jahr das Tagesseminar „Verstehen und verstanden werden, Kommunikationstraining für Hundetrainer“ abgehalten.
Frage 7: Was Du schon immer mal an die Antikdoggenfreunde loswerden wolltest…
Wie an alle Freunde von Rassehunden appellieren wir: Setzt die Rassehundbrille ab und nehmt euren Hund als Individuum wahr. Betrachtet unabhängig von Rassestandard das tatsächlich gezeigte Verhalten und erkennt Be- und Empfindlichkeiten.
Mirjam Aulbach – CumCane-Trainerin – Cave Cani
Esther Follmann – CumCane-Trainerin – CaneAmi
Gemeinsame HP – Hundetraining Teamarbeit
Copyright Antikdoggenfreunde.de – Stefan Wittenfeld – Schortens
Vervielfältigung und Bekanntgabe erwünscht. Der Text darf aber nicht verkürzt oder verändert werden, die Autoren (Mirjam Aulbach und Esther Follmann) müssen im Text benannt bleiben. Ebenso der Herausgeber dieses Interviews: Die Antikdoggenfreunde www.antikdoggenfreunde.de
Bei Bekanntgabe oder Vervielfältigung bitte eine kurze Info an stefan@antikdoggenfreunde.de